FREISTIL – KW 02/23

F

Wochenkommentar KW 02 – 15. Jänner 2023

Wo sind die Geschlechter hin – wo sind sie geblieben?
Wenn das so weitergeht, wohin entwickeln wir uns? Schwer zu sagen. Wie empfinden Sie diese Auflösung der Geschlechter? Man kann sie entweder, wie auch die Klimaaktivisten, als irre, demokratiegefährdend und staatsfeindlich bezeichnen oder aber versuchen, eine Erklärung für dieses menschlich-eigenartige Verhalten zu finden. Ich biete Ihnen in dieser Ausgabe von FREISTIL einen Erklärungsversuch an. Abgesehen davon, dass wenige einer breiten Masse ihre Ideologie unterjubeln wollen, warum lösen sich aktuell die Geschlechter auf? Warum wollen sie kein Mann mehr sein und keine Frau? Ein Grund könnte die innere Leere sein. Was, wenn sie mit ihrem Inneren nicht mehr können? Ernst jetzt, sie mit ihrem Inneren nicht mehr zufrieden sind? Es nicht kennen, verleumden, kritisieren oder es am Ende gar nicht existiert. Die größte innere Leere aller Zeiten verursacht eine Identitätsflucht, pompös inszeniert. Im Innen nichts zu holen, also braucht es ein neues, besseres Äußeres. Sie wechseln das Geschlecht nach Tagesverfassung, sind morgen Stein und gestern waren sie Rose. Nur nicht sie selbst sein müssen, lautet die Devise. Wenn sie glauben, dass es ihnen danach besser geht, bitte … Die existenzphilosophische Frage des Jahres 2023 lautet daher: Auf welches Klo gehe ich heute?

***

Eine halbe Milliarde für die Demokratie
Voller Lob sind dieser Tage unisono Österreichs Tageszeitungen nach der feierlichen Eröffnung des Parlaments. Der Neueinzug unserer gewählten und ungewählten Parlamentarier. Staatsoberhäupter aller Herren [!] Länder. Ich finde keinen Grund zu feiern. Eine halbe Milliarde Euro für den Umbau eines Gebäudes ist schon ein Brett. Die Kleine Zeitung titelt am Freitag, den 13. Jänner „Feierlicher Festakt – In neuem Glanz“, um darunter eine weitere Schlagzeile loszuwerden: „Langes Warten auf günstige Wohnungen“ – leistbare Mietwohnungen Mangelware. Ja, liebe Freundinnen und Freunde in Österreich – das ist Demokratie. Repräsentanz ohne Empfinden für eine Verteilungsgerechtigkeit – die aber in der Europäischen Verfassung für Menschenrechte festgeschrieben ist. Dieser haben wir uns entledigt. Gehaltserhöhungen für Politiker und Politikerinnen, Sonderkonditionen, eigener Fuhrpark und Spesenabrechnungen, die nicht selten das Gehalt eines Mittelklasseverdieners überragen. Und bei Umbauten gibt es überhaupt keine Grenzen mehr. Die Grenzen werden bei Mittelklasse und unterer Schichte gezogen. Moralgeplänkel, welches Auto, Hausbauen ja oder nein, und darf man Avocados aus Kolumbien essen? Während sich die gesellschaftliche und politische Elite in diesem Land die Scheine in den Anus und alle anderen Öffnungen steckt. Die Kronen Zeitung schreibt zur Parlamentseröffnung „Die Rückkehr zur politischen Normalität“. Wie bitte darf ich das verstehen? Eine Drohung?! Alles, nur nicht die Rückkehr zur politischen Normalität. Wir wissen, wie die aussieht …

***

Erfolgsgeschichten
Auf der Suche nach Erfolgsgeschichten, den jüngsten, die der Öffentlichkeit seitens der regierenden Parteien in Österreich zugemutet werden. Da ist mal der Umstand, dass künftig Windräder und Solarpaneele kreuz und quer in die Botanik gebaut werden dürfen. Die Umweltverträglichkeitsprüfung, kurz UVP, wurde auf Eis gelegt. Hauptsache der debile Sechsjährige hat Strom fürs IPad, damit er stillgespielt werden kann. Der Versicherungsmakler im 3,2 Tonnen Elektro-SUV braucht die Steckdose. Eine weitere Erfolgsgeschichte: Die Abschaffung der geblockten Altersteilzeit. Der Kurier titelt „Arbeiten in der Pension – statt der Pension.“ Was für ein Meilenstein für künftige Pensionisten. Bravo Schwarz/Grün! Und dann hätten wir noch das „schärfste Korruptionsgesetz“ seit Ibiza. Egal wie die Gesetzte künftig aussehen. Moral und ethischer Anstand lassen sich nicht vorschreiben. Ein goldener Flügel muss her. Wer spricht da noch über 500 Millionen Euro für den Umbau des Parlaments? Das sind Erfolgsgeschichten, wie sie Österreich braucht …

***

90.000 Kirchenaustritte
Die Suche nach den Gründen. Ernsthaft jetzt? Das ist ja schlimmer als bei der Frage der politischen Einflussnahme beim ORF. Ok, ich helfe der Kirche auf die Sprünge. Unentschuldbare Kindesmissbräuche. Fehlende Aufarbeitung dieser. Prunkvolle Einzementierung von Ideologien, die so nicht zeitgemäß sind. Eine Religion sollte wie Literatur sein – sie muss leben. Hilft das?

***

Das Gute zum Schluss
Der Mensch ist zu allem fähig – auch zum Guten! Ein wohltariertes Gerechtigkeitsempfinden und ein erträgliches Moralverständnis unterstelle ich ihm. Nachdem das Volk von Minderheiten repräsentiert wird, von mehr oder weniger legitimierten Volksvertretern, ist eine Kollision mit der breiten Masse unumgänglich. Überhaupt wenn sie betrogen, belogen und abgezogen wird, wie es aktuell der Fall ist. Die Verteilungsgerechtigkeit war noch nie so schlecht. Wer sich darüber entrüstet oder es zur Sprache bringt, wird denunziert und große Teile seines Schaffens eliminiert. Ich glaube dennoch an warmherzige, gute gemeinwohlorientierte Persönlichkeiten in diesem Land. Sie sind überall, schauen Sie sich um … und begegnen Sie ihnen mit einem freundlichen Lächeln …

***

Lauschangriff
Neulich in einem Restaurant
Dos Kapital muass sich jo weita aufbaun … Is jo glei weg sunst.
Heit konnst jo net amol mehr in a Gosthaus gehen. Geh her do und kaf a Solzstangl!
Es muass jo ständig wos einakumman heit …

 

 

Über den Autor

Gerald Eschenauer
Gerald Eschenauer

Kommentar hinzufügen

Gerald Eschenauer

Gerald Eschenauer

Schriftsteller. Philosoph. Schauspieler. Kulturvermittler, der zwischen den Welten wandelt.

Jetzt zum Newsletter
ANMELDEN

Get in touch

Neueste Beiträge

X
zum Shop