Wochenkommentar KW 09 – 05. März 2023
Die Wahl ist unbedeutend
Die Kärntner Landtagswahlen sind geschlagen. Änderungen von großer Bedeutung können nur im Herzen jedes Einzelnen entstehen. Ich denke nicht, dass wir dazu bereit sind. Ein paar Prozentpunkte auf oder ab im jeweiligen Lager sind unbedeutend. Dort herrscht Freude, da werden Wunden geleckt. Die Systematik bleibt dieselbe. Gerhard Polt, bayrischer Schauspieler und Ausnahmekabarettist, bringt es auf den Punkt: „Demokratie, Meinungsfreiheit ist jo prinzipiell net schlecht, oba was ist – wenn ma ka eigene Meinung hot?“
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Mir unbegreiflich
Ex-Bundeskanzler Leopold Figl, der den Österreichischen Staatsvertrag und Österreichs Neutralität mitverhandelt hat, wusste, wie ein Konzentrationslager von innen aussieht. Er war einer der ersten Gefangenen der Nationalsozialisten. Der Mann sah hautnah, was Krieg bedeutet. Der Kurier erzählt in seiner Ausgabe vom 5. März 2023 in dem Artikel „Der Prominententransport“ davon. Verhandlungen mit Russland, das russische Memorandum als Bedingung für die Unterzeichnung des Staatsvertrags. Und heute behandeln wir das Kostbarste, die „immerwährende Neutralität“ wie ein Furunkel im Gesicht der Österreicherinnen und Österreicher, das um jeden Preis entfernt werden muss.
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Ein Buch ist mehr als Gedankenspielerei
Was bedeutet es heute ein Buch herauszubringen? Fluch und Segen. Fluch für die Schreibenden. Segen für die Lesenden. Bei 70.000 Neuerscheinungen pro Jahr alleine im deutschsprachigen Raum, ist das Bemühen wahrgenommen zu werden, in den Vordergrund gerückt. Reels, TikTok und der Gratisversand von Ratgebern über Landingpages lösen das althergebrachte Modell des klassischen Buchvertriebs ab. Unbemerkt von allen Leserinnen und Lesern. Die Monopolstellungen von Buchhandelsketten und Amazon werden beinhart ausgenutzt, die literarische Vielfalt bleibt auf der Strecke. Wie vielfach der zündende, nicht einzufangende Grundgedanke, der zu einer Kurzgeschichte, einem Gedicht, schlussendlich zu einem Buch führt. Zurück an den Start. Am Anfang war das Wort.
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Wortverdrehung ist Sinnverfremdung
Neulich titelte die Kleine Zeitung mit der Überschrift „Ich bin völlig resistent gegen Social Media“ und porträtierte den steirischen Märchenerzähler Folke Tegetthoff. 45 Bücher und 1,6 Millionen verkaufte Exemplare ist der Mann schwer. Nicht schlecht. Es geht also auch OHNE Social Media. Nein, geht es nicht! Hat Christine Lavant 1956 von ihrer Bettlerschale 5.000 Exemplare verkauft – schön und gut, wäre dies unter heutigen Vorzeichen unmöglich. Bestsellerstatus ohne den Einsatz von Social Media ist heute schlicht und einfach undenkbar. Und so relativiert sich die Überschrift, wenn Tegetthoff an späterer Stelle im Artikel zitiert wird: „Ich bin weder auf Instagram, noch auf Facebook. Ich habe einen Account, aber den befüllt mein Büro.“ Outsourcing nennt man das. Wer es sich leisten kann …
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Einen hab ich noch …
Die geistige Haltung mancher Redakteurinnen und Redakteure in diesem Land ist für mich nicht nachvollziehbar. Sie müssten eigentlich aus den Redaktionen ausscheiden. Meist werden sie zuvor von den politischen Fraktionen und deren Pressebüros rekrutiert. Die beste Investition ever. Unlängst schreibt ein Redakteur „aufstrebendes einstiges Armenhaus“ Kärnten um drei Sätze später zu vermelden, dass Kärnten im Kaufkraftranking immerhin auf dem „siebenten Platz [!]“ liegt. Von neun Bundesländern? Echt jetzt? Was ist das für ein Journalismus? Womöglich ein gekaufter.
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Das frühlingshafte Trauerspiel
Bisher war der Frühling eine meiner Lieblingsjahreszeiten. Die Kraft der Natur ist am stärksten wahrnehmbar. Alles versucht den mürrischen Winter loszuwerden. Und bevor sie in der Lage ist das zu zeigen, wird sie zurechtgestutzt. Bitte aufhören mit der Böschungsgleichmachung, den Fräsungen entlang der Fahrbahnränder und den massenweisen Rodungen von Zierkirschen, altem Baumbestand und all jener Vielfalt, die wir so dringend brauchen. Nach der sich unsere Körper und Seelen sehnen. Als hätten sie den ganzen Winter drauf gewartet.