FREISTIL – KW 22/23

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Wochenkommentar KW 22 – 04. Juni 2023

Evangelium der Belehrungen
Neulich war ich bei der ÖGK. Für alle unter der Brücke Lebenden, ins Ausland Geflüchteten und Milliardäre: Die ÖGK [Österreichische Gesundheitskasse] ist jene Kasse, die entstanden ist, nachdem die Länderkassen geschlossen wurden, die österreichische Regierung sich durch den Zusammenschluss [Betriebswirtschaft 1. Semester] Einsparungspotenziale von mehreren Milliarden erwartet und schlussendlich 1 Milliarde Mehrkosten verursachte. Just jene Kasse ist, wie die der meisten österreichischen Staatsbürgern und Bürgerinnen, eine Pflichtversicherung. Die ganz schön viel nimmt, für das was sie gibt. Bis zu 50% des Einkommens. Jedenfalls war es wieder mal so weit.

Nach vielen Jahren der Abstinenz, versuchte ich einen Mundhygiene-Termin zu vereinbaren. Mehrere Monate Wartezeit, versteht sich. Und nachdem mir der „Big Boss“ in den Mund gesehen [das ist Voraussetzung für einen Zahnhygiene Termin. Hä?], er mich für ÖGK-tauglich inspiziert hatte, pilgerte ich 5 Zimmer weiter. Nun ist es ja nicht so, dass meine Zahnreihen Domino spielen oder Burgzinnen gleichen, Schießscharten im Mund, no no no. Ich beuge seit Jahren vor. Wirke quasi dem Verfall entgegen. Will meine Beißerchen erhalten. Nun da stand ich also, frohen Mutes und in Erwartung. Und die behandelnde Ärztin – ausgesprochen freundlich. Mit den Details verschone ich Sie. Am Ende sah ich mich mehr einem Konzernkonglomerat dienenden Verkaufsgespräch als einer Mundhygiene gegenüber. Wie da geputzt wird und welche Hilfsmittel es da gibt – ich war wirklich überrascht. Zahnseide in 25 Ausführungen. Farblich zu meinem Kleid passend. Äh, Verzeihung – ich trage ja keine Kleider. Noch nicht. Kulturelle Aneignung? Shame on me. Verzeihung. Und dann diese Zahnbürstchen. Ich war schwer beeindruckt. Mir blieb der Mund offen und schon wieder steckte mir die Frau Doktor ein Bürstchen in den Mund.

 

»So und so und so –

verstehen Sie.«

Und hielt mir den Spiegel vors Gesicht. Damit ich endlich, Zahnhygiene praktizierend, mein eigenes Ich erkennen konnte. Als ich völlig erschöpft ob dieser stringenten, ausufernden Beratung den Zahnarztsessel raschest verlassen wollte, fuhr sie fort: »Und jetzt zu den Zahnbürsten? Welche verwenden Sie denn?« Anmerkung: Was geht Sie das an? Ich frage Sie auch nicht, welche Tampons Sie kaufen oder welche Spirale Sie sich einsetzen lassen. Also, noch nicht? Sie war nämlich nicht unattraktiv. Eigentlich hätte sie sich eine Stunde Zeit für mich nehmen sollen, um bei einem Gläschen die Welt zu umrunden. Stattdessen dozierte sie über Rund- und Eckborsten, Griffe und die Beweglichkeit des Schaftes. Kenne ich! Da kam mir eine Idee. Nein, ich bin bei Ihnen Frau Doktor. Und jetzt noch Herr Eschenauer: »Sprechen wir über die Zahnpasta.« Und während sie über Meridol, Parodontax, Tebodont und Co. philosophiert, drückte sie mir ein „Tübchen“ in die Hand, Sie merken schon an dem Begriff, dass da etwas nicht stimmt. Verstehen sie mich nicht falsch, aber ich muss die Dinge beim Namen nennen. Es gibt Tuben, Honigsenf zum Beispiel, der von Mautner Markhof, das ist eine Tube. Und so schöne Bienen drauf. Dann gibt es kleine Tuben und es gibt Probetuben. Aber das hier war ein Tübchen, und diese Tübchen, ich konnte nicht mal lesen was darauf stand, sollte irgendeine Zahncreme beinhalten – »Meina Söl.« Dinge gibt’s.

Freunde, ich komme da nicht mehr mit. Eine ÖGK, die Milliarden vergeigt, in die Verwaltung und ins Management bläst, die sich zusätzlich von Konzernen und Pharmafirmen SPONSERN lässt als wären wir beim Ramschtisch eines Einkaufszentrums oder Messeschreier für Spezialreibeisen und dann darf ich dieses vorzügliche Service auch noch selbst bezahlen. „Geht’s der Kasse gut, geht’s uns allen gut.“ Der Satz sollte dringend überarbeitet werden.

»Werde ich Sie je wiedersehen Frau Doktor?«
»Nur wenn Sie zahlen!«

***

Die Lange Nacht der Kirchen.
Die Kirche hat auch ihr Gutes, zweifelsohne. Doch ist nicht jeder Tag Kinderfasching. Im Übrigen, all jenen, die sich mit den Machtverhältnissen innerhalb der Kirche beschäftigen, darf ich den Film „The Young Pope“ von Maestro Paolo Sorrentino empfehlen. Himmlisch. Jedenfalls war ich neulich dort. Zu einem Chorkonzert. Und wie es der Teufel so will, gab es zwischen den Musikstücken die Einschübe eines Geistlichen. Des Priesters. Keine Ahnung, wie der heißt. Nachdem er dreimal ungeniert zum „Abschalten der Handys“ aufgerufen hatte, ich Belehrungen auf den Tod nicht ausstehen kann, es ohnehin auf dem Weg zur Kirche bereits abgeschaltet hatte, ersuchte er die Menge vom Klatschen zwischen den Stücken Abstand zu nehmen. Und das Ergebnis: Keiner hielt sich daran. Ist das nicht herrlich? Stück für Stück Kärntner Applaus. Nicht übertrieben. Gibt es länderspezifischen Applaus? Ja, durchaus. Der Kärntner Applaus ist weich im Abgang, Potschhandalan verursachen den, und weich im Aufprall, wie das „a“, das ein „o“ wird – aus lassen wird losn. Mit einem Ringerl über dem o, sonst wäre es ja wieder losn und das bedeutet in Kärnten zuhören. Also: »Muast nua losn.«

Und wenn wir aufmerksam „zualosn“ und trotzdem NICHT folgen, gibt es dafür drei Gründe. Die Macht der Gewohnheit, eine Verständnisproblem [Wos wül dear?] oder das bewusste Ignorieren des Angesprochenen. Ich würde mir Letzteres wünschen, bin mir aber bei den Kärntnerinnen und Kärntnern und »es Kärtna« nicht sicher. Und wenn wir dieses Prinzip weiterverfolgen, müssen wir aufhören, den Schwachsinn der österreichischen Bundesregierung kommentarlos hinzunehmen. Der Esel folgt der Karotte auch nur so lange, bis er sie gefressen hat. Einfach mal zuschnappen. Meinen Segen haben Sie …

***

Bücher von Gerald Eschenauer unter www.realeschenauer.at
Biografie des Autors unter www.eschenauer.at

Ich freue mich über Ihre Kommentare und Anregungen und bin unter
primusno1@gmx.at für Sie erreichbar …

 

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Gerald Eschenauer
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Gerald Eschenauer

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Schriftsteller. Philosoph. Schauspieler. Kulturvermittler, der zwischen den Welten wandelt.

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