FREISTIL – KW18/23

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Wochenkommentar KW 18 – 07. Mai 2023

Reduktion
Wir [oder Teile von uns] werden gerade auf eine neue Form der Askese, des Verzichts, eingeschworen. Was war, wird in Frage gestellt. Prinzipiell und ausnahmslos. Geschlechter, Mobilität, Ernährung, Beruf – in Auflösung befindlich. Nun – in Frage stellen ist per se nichts Schlechtes. Fehlte nicht die Ingredienz „Vernunft“ im Gesamtkontext. Und hier mache ich mir ernsthaft Sorgen. Die Vernunft im Entscheidungsprozess wurde auf ein Mindestmaß reduziert, bis sie sich, wie der Mensch selbst, verflüchtigt, verdampft, in Luft auflöst. Aber Schluss mit dem theoretischen Geschwafel. Beginnen wir mit der aktuellen Werbung von Zalando, die ein mehrgeschlechtliches Wesen zeigt, im Bikini, mit etwas Abstehendem in der Hose, ein Frauengesicht mit Brüsten und Schwanz. Da hat wer Interesse an Unverfänglichem? Ein neuer Markt eventuell!? Endlich wird der Schund in großem Stil an ALLE adressiert. In der Werbung in Summe bedeutend billiger als zielgruppenorientiertes Marketing. So gesehen, macht das Sinn. Und anders gesehen? Eine Auflösung der Identität bringt Probleme mit sich. Viel mehr Probleme als Lösungen. Auf welches Klo gehe ich? Ist es eine Kinderschänderin oder ein Kinderschänder, der zur Rechenschaft gezogen werden soll, oder war es am Ende selbst ein Kind?!

Reduzieren wir die Anzahl der Geldscheine. Kleinste Münzen weg, größte Scheine weg. Bargeldobergrenze, Barauszahlungsgrenzen, Bargeld weg. Und wieder sind wir bei der digitalen Währung, von der die Österreichische Nationalbank ja gar nichts hält. [Smiley] Und immer, wenn jemand derart FÜR das Bargeld trommelt, werde ich hellhörig. Der Wandel ist unumgänglich. Sie glauben doch nicht, dass eine Gesellschaft, die sich selbst digitalisiert und lieber ihren Avatar sieht als ihre real existierende physische Hülle, vor einer digitalen Währung halt macht? Sie und ich werden sie erleben – und damit die völlige Abhängigkeit, wenn nicht …

Und geben Sie mir Recht, wenn ich sage, dass diese von unseren Vertretern öffentlich proklamierte Verbesserung, Erweiterung, Erneuerung niemals eine verbessernde, erweiternde und zum Wohle des Menschen entwickelte Errungenschaft darstellt? Früher ging ich aufs Passamt und hatte den Pass innerhalb weniger Tage. Ohne Voranmeldung, ohne Mehrphasenauthentifizierung. Heute ziehe ich am Magistrat ein Ticket [falls der Automat funktioniert], um einen Termin Monate später zu erhalten, an dem man mir mitteilt, dass meine Unterlagen unvollständig seien, ich weitere zwei Monate bis zur Fertigstellung warten müsse. Das alles zum doppelten Preis, versteht sich. Worin liegt also der Fortschritt – die Verbesserung? Sie ist schlichtweg nicht existent. Sie wird uns vorgegaukelt und von einer Heerschar gekaufter Medien als einzig gangbarer Weg angepriesen.

Diese unsäglichen digitalen Vorschaltstufen, die kein Mensch braucht, werden uns aufs Auge gedrückt. Und das bei Blinden. Die bereits beide Augen geschlossen haben, um diese Zumutung an Neuerungen zu verkraften. Doch dauerhaft die Augen vor missratenen Entwicklungsprozessen zu verschließen, funktioniert nicht. Und so fordere ich Sie heute auf, dies nicht mehr hinzunehmen. Weigern Sie sich! Ziviler Ungehorsam tut wohl und ist gesellschaftsrelevant. Niemand vertritt aktuell meine Interessen und die einer breiten Bevölkerungsschichte. Und dass dies so offensichtlich vordergründig und schamlos geschieht, ganz ohne Gegenwind, ist der eigentliche Skandal.

***

Was hat uns die Reduktion gebracht? Nichts.
Wir reduzieren den Fertigungsprozess von Lebensmitteln, die längst keine Lebensmittel, sondern Nahrungsmittel sind, auf ein Mindestmaß und wundern uns über das Ergebnis. Wir schaffen die Papierkontoauszüge und papierenen Plakate ab, ersetzen sie durch elektronische Kontoauszüge und digitale Werbeboards, die teurer, wartungs- und updateintensiv sind und zahlen noch mehr Geld dafür. Wir ersetzen Verbrennungsmotoren durch Batterieautos, ohne das große Ganze zu berücksichtigen. Ein Werbeschmäh erster Güte. Eine Not-Injektion für die Industrie, die neue Absatzmärkte braucht.
Ich halte herzlich wenig von Reduktion. Es ist Zeit für eine neue Fülle. Fülle der Herzen und Fülle der menschlichen Vielfalt. Gerne erzähle ich Ihnen mehr bei einem persönlichen Gespräch. Schon bald in Ihrer Nähe …

Lesetermine
Aphorismen atmen
Dienstag, 23. Mai 2023 – 19.00 Uhr
Dinzlschloss Villach, Schloßgasse 11

Karten unter Ö-Ticket*:
https://www.oeticket.com/event/gerald-eschenauer-dinzlschloss-16970264/

* Die Karten sind in allen Ö-Ticket-Vorverkaufsstellen (z.B. Tourismusinformationen, Raiffeisenbanken, Trafiken, Bahnhof Villach Ticketschalter, Kleine Zeitung Villach, Libro, Lindebner Reisebüro und Busunternehmen, Media Markt, etc.) sowie online unter www.oeticket.com und an der Abendkasse erhältlich.

 

Über den Autor

Gerald Eschenauer
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Gerald Eschenauer

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Schriftsteller. Philosoph. Schauspieler. Kulturvermittler, der zwischen den Welten wandelt.

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